Teil V unserer Serie: Positive Beispiele mittelständischer Unternehmen:

mit Zukunftsperspektive und Zukunftsvision:

Andechser Molkerei Scheitz GmbH

Interview von Gina Ahrend mit
Barbara Scheitz, Geschäftsführung

 

Die ‚Andechser Molkerei Scheitz‘ ist heute vielen Menschen ein Begriff: einerseits für Spitzen-Biomilchprodukte, andererseits für ‚Nachhaltiges Wirtschaften‘. Seit Jahrzehnten haben Sie dafür reichlich öffentliche Anerkennung und Auszeichnungen erhalten. Fühlen Sie sich erfolgreich?

Früher waren wir erster ‚Öko-Pionier‘, heute nennt man uns Marktführer. Damals haben wir uns gegen viele Widerstände durchsetzen müssen, heute bewältigen wir beständig ‚Herausforderungen‘! Immer jedoch haben wir mit unserer Arbeit unserer Mitwelt gedient, das gilt für uns heute und auch für morgen. Das gilt auch für alle Konsumenten unserer Bio-Milchprodukte: durch den Kauf unserer ‚schmackhaften Tätigkeitsnachweise‘ bestätigen sie uns jeden Tag aufs Neue, dass unser Credo ‚Natürliches natürlich belassen! ‘ einfach richtig ist und ihre volle Wertschätzung besitzt!

Wie könnte man Ihr Unternehmen kurz beschreiben?

Vielleicht so: Molkerei-Familienbetrieb seit über 100 Jahren, heute mit 200 Mitarbeitern, mit über 600 Bio-Milchbauern-Partnern in Bayern, mit ca. 23.000 Bio-Milchkühen und 16.000 Bio-Milchziegen, mit Millionen Biomilchprodukten zur Versorgung unserer Mitbürger.

Alles zusammen bedeutet, dass wir seit Jahrzehnten damit konsequent den Schutz unserer Mitwelt und Heimat vorangebracht haben!

Mit welchen Entwicklungen wurde etwas bewegt?

Mein Vater Georg Scheitz hat mit der Verarbeitung von Bio-Milch zu einer Zeit begonnen, wo niemand an eine ‚Bio-Verordnung‘ in Deutschland oder Europa auch nur gedacht hat! Er hatte das klare Bewusstsein für ökologische Rohstoffe, die richtige Verarbeitung – und dazu Verantwortungsbewusstsein gegenüber unserer Natur als auch dem Verbraucher, der zu den hochwertigen Rohstoffen auch ein ‚Genusserlebnis‘ erhalten sollte. Bis aber der Begriff ‚Bio‘ als Qualitätsmerkmal dann Anerkennung fand, brauchte es viel Überzeugungskraft, Verständnis und Geduld – aber auch eigene Rechtschaffenheit und Ausdauer!

Markante Eckdaten?

Beispielsweise, dass heute etwa 50% der in Bayern erzeugten Milch gentechnikfrei sind! Das hat die Andechser Molkerei Scheitz initiiert, als sie 2005 dazu die Grundsatzentscheidung getroffen hat, zusammen mit ihren konventionellen Milchbauern die erste gentechnikfreie Milch zu erzeugen!

Beispiel ‚Bio-Milchmarkt‘: ein heute vom Lebensmittelmarkt, vom Kartellamt und Gerichten anerkannter eigenständiger Marktbereich in Deutschland. Auch diese Erfolgsgeschichte beruht auf einem fünfzehn Jahre währenden Engagement der Andechser Molkerei!

Beispiel ‚Rückverfolgbarkeit der eingesetzten Rohstoffe’ bei Lebensmitteln: der Verbraucher ersieht alles im Internet – mit diesem Info-Angebot hat die Andechser Molkerei Scheitz 2008 als erste ihrer Branche hier eine markant-richtungsweisende Einführung durchgesetzt.

Wer mag, kann sich unter www.andechser-natur.de umfänglich informieren. Auf dem Weg zu nachhaltigem Wirtschaften gab es ja viele Entwicklungsschritte.

Ja, auch dafür hat die Molkerei den Deutschen Nachhaltigkeitspreis erhalten, Sie mit einer Staatsmedaille geehrt! Was bedeutet Ihnen solche öffentliche Aufmerksamkeit?

Das sind Anerkennungszeichen für alle, die zusammen mit uns und ökologischen landwirtschaftlichen Aktivitäten unsere Umwelt bewahren und schützen! Letztlich zu eigenem Nutzen: für unsere Gesundheit, unseren Wohlstand und auch für den Erhalt unserer Heimat!

Eigentlich ist’s ganz einfach: Jeder einzelne Jogurt, jedes einzelne Biomilchprodukt, das bei uns hergestellt wird, ist ein Beitrag zur ‚Agrarwende‘, denn wer ein Bio-Lebensmittel kauft, hilft aktiv beim Schutz unserer Mitwelt!

Das sollten alle wissen: in Deutschland hat die ökologische Landwirtschaft bislang nur etwa 4% Anteil des Agrargesamtbereichs ‚erobert‘… Fakt: es ist noch viel zu tun!

Anno 2015 wurde der ‚Bioökonomierat für Bayern‘ begründet. Sie wurden berufen und sind jetzt, zum offiziellen Start der ‚Bioökonomie in Bayern‘ 2020, freiwillig demissioniert. Was ist Ihre Auffassung zur Bioökonomie?

Ich halte die Bioökonomie für eine zukunftsweisende, auch zukunftsbestimmende Wirtschaftsrichtung. Dafür habe ich mich die letzten 5 Jahre engagiert – und zwar deswegen, weil sie uns alle betrifft und uns alle angeht! Optional geht es um die umfängliche Nutzung unserer biologischen Umwelt: das geht von kleinsten Naturstrukturen wie Zellen und Molekülen bis zu agrartechnologischen Nutzungen ganzer Gebiete.

Es geht oft, meist ‚hinter den Kulissen‘, nicht nur um Milliarden Euro – sondern auch um die ‚Deutungsmacht‘: Wollen wir als Gesellschaft eine zu unserer Umwelt und Natur passende ‚BIO-Ökonomie mit ethischem Regelwerk‘ – oder eine ‚Shareholder-Ökonomie mit Anspruch auf BIO‘

Ich plädiere sehr dafür, dass diese Forderung nach einer ‚Ethisch normierten Bioökonomie‘ öffentlich debattiert wird: Es muss Schluss sein mit einem kostenlosen, verschwenderischen Umgang mit Allgemeingütern unserer Biosphäre wie saubere Luft und Wasser, lebendigem Boden! Ab sofort sollten alle technisch-gesellschaftlichen Neuentwicklungen den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft unterworfen werden, alle auch nur vermuteten Wirklungen sind bezüglich ihrer aktuellen als auch möglicherweise entstehenden Vorgänge zu berücksichtigen!“

Weisen Sie damit auf die ‚Nachhaltigkeit‘ hin?

Der Begriff wird inzwischen leider inflationär, oft falsch oder sogar täuschend als ‚Worthülse‘ benutzt. Persönlich bin ich da eher zurückhaltend geworden. Vom gutgemeinten Grundsatz her ist ‚Nachhaltigkeit‘ natürlich anzustreben, wobei einst unsere Altvorderen bereits weise Erkenntnisse zwar gehabt, aber allzu oft nicht umgesetzt haben: „Was auch immer du tust, tue es klug und bedenke das Ende“. Der Ratschlag hat altgriechische Herkunft, wurde in einer mittelalterlichen lateinischen Sammlung wiederholt – und passt aktuell umfänglich in unsere Zeit!

Diesem Rat will ich zwei Fragen anfügen: Was ist der Sinn des Tuns? Mit welcher Moral soll dann gehandelt werden? Werden beide Fragen positiv beantwortet, kann man ‚Nachhaltigkeit‘ in seiner gutgemeinten Bedeutung als geltend einfordern!

Was raten Sie Ihren Mitmenschen?

Vor 2300 Jahren erkannte der Weise Kohelet ‚Alles hat seine Stunde (…), gibt es eine bestimmte Zeit!“

Diejenige Lebenszeit, die jeder für sich ‚selbstbestimmt, kreativ mit seinen charakter­bildenden wertvollen Fähigkeiten“ für sich nützen kann und damit auch für sein Umfeld, wird in der griechischen Sprache in ihrer Urbedeutung mit „Muße“ bezeichnet.

In diesem Sinn kann ich jedermann nur empfehlen: Prüfen Sie kritisch Ihre Ideen, die Ihnen in kreativen Mußezeiten zufliegen, wählen Sie daraus die objektiv Beste. Setzen Sie selbst Ziele für die nachhaltig-positive Gestaltung unserer Gegenwart und Zukunft – und engagieren Sie sich dafür mit Moral, Schaffensfreude und Ausdauer: Sie werden dabei immer etwas Gutes gewinnen!