Neue Wege in der Führungskräfteentwicklung

Interview mit einer Personal-Entwicklerin über Muße im Job

Anja Theuner-Hönicke ist Führungskräfte-Entwicklerin beim kommunalen IT-Dienstleister ekom21 – KGRZ Hessen. Zusammen mit ihren Kollegen hat sie ein Inhouse-Seminar der Akademie der Muße über „Führen in Achtsamkeit“ besucht. Die Erfahrung hat sie ermutigt, in ihrer Arbeit neue Wege zu gehen.

Was bedeutet Muße in Ihrem Job?

Muße im Job bedeutet für mich, die Aufgaben, die für unser Unternehmen, unsere Mitarbeiter und unsere Kunden von besonderer Bedeutung sind, entspannt und mit einer inneren Ruhe anzugehen.

Wieso ist das wichtig?

Für die Qualität meiner Arbeit als Personalentwicklerin sind Wachsamkeit und Offenheit in der Beobachtung der aktuellen Situation sowie Kreativität, Flexibilität und Weitblick in der Lösungsfindung wichtige Kompetenzen. Diese entfalten sich am besten im entspannten Zustand. Ähnliches gilt sicher auch für die Aufgaben meiner Kolleginnen und Kollegen.

Haben Sie Tipps, wie man im Berufsalltag am besten entschleunigt?

Gerade wenn es hektisch wird und der Zeitdruck steigt, ist es hilfreich zu entschleunigen. Mit Gelassenheit und Achtsamkeit gelingt es vor allem in solchen Situationen am besten, Entscheidungen zu treffen und Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Wenn ich Unruhe in mir wahrnehme, versuche ich „vom Gas zu gehen“, indem ich kurze Pausen mache. Ich schließe für einen Moment die Augen, atme bewusst tief durch und lasse alle Anspannung im Körper und im Kopf los. Oder ich nutze die Gelegenheit für einen kurzen Spaziergang, gehe bewusst ein paar Schritte, nehme die Umgebung um mich herum bewusst wahr und atme Frischluft.

Wieso muss man das schulen?

Informationsflut, technologische Innovationen, hoher Leistungsanspruch, Zeitdruck – dies sind wesentliche Merkmale unseres heutigen Alltags. Da bleibt wenig Zeit für Muße. Weder in der Schule noch in der Berufswelt waren Achtsamkeit und Müßiggang in den letzten Jahrzehnten geläufige Begriffe oder in breitem Stil gelebte Realitäten. Und – mit unserem derzeitigen Lebensstil kommen wir an unsere Grenzen: Psychische Erkrankungen und Erschöpfungssyndrome nehmen kontinuierlich zu. Das Interesse an Achtsamkeit und Muße steigt – und will (wieder) gelernt sein.

Wie war die Resonanz Ihrer Kollegen auf das Muße-Seminar?

Wir haben das Seminar „Führen in Achtsamkeit“ mit Herrn Bilgri und Herrn Birkl zwischenzeitlich zwei Mal angeboten, und alle Teilnehmer waren durchweg begeistert. Auch unser Geschäftsführer konnte sich einlassen und war mit voller Aufmerksamkeit dabei. Besonders gefallen hat den Führungskräften, dass es tiefer ansetzt als die klassischen Seminare für diese Zielgruppe, nämlich an der Haltung – und erst darauf aufbauend am Verhalten. Das Zusammenspiel von benediktinischen Grundregeln und systemischen Ansätzen war sehr interessant.

Was haben Sie für sich mitgenommen?

Mich persönlich hat diese positive Erfahrung ermutigt, in der Führungskräfteentwicklung neue Wege zu gehen. Dieses Seminar war ein Wagnis – und es hat sich gelohnt. Die Führungskräfte konnten eine Menge für sich und ihren Berufsalltag mitnehmen – hier ein Auszug der Antworten auf die entsprechende Frage in unserem Feedbackbogen:

– Büro-Zen: runterkommen statt reinsteigern
– eine Veränderung in meinem Weltbild (von der dualistischen zur systemischen Sichtweise)
– ein neues Führungsverständnis à la Benediktiner
– einen ganz anderen, sehr produktiven Problemlösungsansatz (Tetralemma)
– Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen, die wirklich helfen

Interview: Gerd Henghuber