Modethema Achtsamkeit – was dahinter steckt

Der Harvard Business Manager widmet dem Modethema ein ganzes Heft – was davon zu halten ist, darüber hat Anselm Bilgri eine klare Meinung.

Ein Gespenst geht um in der Welt der Führungskräfte, wie alles Gute aus dieser Welt, kommt es aus Amerika. Es heißt mindfulness, zu Deutsch: Achtsamkeit. Dieser Begriff stammt aus dem Buddhismus und bezeichnet dort den achtsamen Umgang des „aufgewachten“ bzw. wie oft übersetzt wird „erleuchteten“ Menschen mit sich selbst, den Mitmenschen und seiner belebten und unbelebten Umwelt. Der amerikanische Molekularbiologe Jon Kabat-Zinn hat vor einiger Zeit auf der Basis der aus dem Buddhismus kommenden Zen-Meditation eine Methode zur stress Bewältigung entwickelt, die MBSR, „mindfulness based stress reduction“, „Stress reduzieren durch Achtsamkeitsübungen“.  Diese Methode hat es infolge der burn-out-Welle der vergangenen Jahre sogar zu einer Bezuschussung durch das deutsche Krankenkassensystem gebracht.
Management ist zwangsläufig oft mit distress, dem „bösen“ stress verbunden. Dieser verursacht im Gegensatz zum „eustress“, dem guten stress mit seinem Flow-erlebnis, unangenehme Gefühle, die bei anhaltender Präsenz zu gesundheitsschädlichen körperlichen Symptomen führen können.

Management ist zwangsläufig oft mit distress, dem „bösen“ stress verbunden.

In Verbindung mit der allseits beobachteten Beschleunigung unseres Lebens in der Moderne und Vergeblichkeitserfahrungen wie besonders auffällig in helfenden Berufen kommt es dann zu depressiven Zuständen, die seit einiger Zeit mit dem Etikett burn-out-Syndrom versehen werden. Burn-out ist eine massive gesundheitliche Beeinträchtigung, die zu beruflichen Ausfällen führt und damit natürlich die Wirtschaftlichkeit betroffener Unternehmen gefährdet. Dies ist der ins Auge springende Punkt, warum plötzlich Achtsamkeit das Interesse von Unternehmenslenkern findet.

Taugt Achtsamkeit zur Selbstoptimierung?

Und dies ist auch gleichzeitig die Crux der Aufmerksamkeit, die der Achtsamkeit zuteil wird. Der Selbstversuch des Journalisten Ingmar Höhmann bringt es auf den Punkt: Taugt Achtsamkeit zur Selbstoptimierung? fragt er gleich zu Beginn seines Beitrages. Jon Kabat Zinn warnt in seiner Definition der Achtsamkeit ausdrücklich vor einer Verzweckung, bzw. Ökonomisierung dieser Haltung. Eine Übung der Achtsamkeit soll sich ausdrücklich nur auf den gegenwärtigen Moment beziehen, also Vergangenheit und Zukunft außen vorlassen. Sie darf von keiner anderen Absicht getragen werden, als eben jetzt in diesem Moment achtsam zu sein.

Achtsamkeit darf nicht verzweckt werden.

Daher ist der vom ökonomischen getriebene Ansatz „empowerment by mindfulness“ von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Er verzweckt Achtsamkeit nur wieder zu einem Management-Tool, das zur Verbesserung von Ergebnissen führen soll und damit die bekannten Stress-faktoren hervorruft. Daher ist die Einladung zur Achtsamkeit eine Gratwanderung. Sie muss vor allem die Absicht haben, den Menschen, den Mitarbeitern, der Führungskraft selbst zu einer „Rundum“-Achtsamkeit zu verhelfen, in die die berufliche Anforderung eingebettet ist, aber nicht der eigentliche antrieb sein darf.

Letztlich hat eine Führungskraft nur eine einzige Person zu führen, nämlich sich selbst!

Auf Gefahren wird im Heft auch hingewiesen, wenn auch etwas versteckt und eingeengt unter den Stichworten Vermeidungsstrategie und Gruppenzwang. Ansonsten kommen die üblichen Verdächtigen zu Wort: eine Psychologin, mehrere Achtsamkeitstrainer, davon ist einer sogar ein „Achtsamkeits-Guru“. Nicht fehlen darf natürlich auch der Unternehmer, der einem ebenso aktuellen Trend folgend in einem deutschen Benediktinerkloster zur Achtsamkeit gefunden hat. Allen Beiträgen, die erfreulich kurz und knackig sind, ist eines gemeinsam, was Peter F. Drucker schon vor Jahren auf den Punkt gebracht hat: „Letztlich hat eine Führungskraft nur eine einzige Person zu führen, nämlich sich selbst!“ Und dies geht am besten mit einer Haltung der Achtsamkeit, wäre hinzuzufügen.

Von Anselm Bilgri gibt es einen Vortrag zum „Achtsamkeit – wie Vorgesetzte richtig führen“ – hier können Sie das Exposé bestellen.