Symposion zum Thema „Kommunikation“

von Nikolaus Birkl

Kaum ein Begriff wird so vielfältig verwendet wie der Begriff der Kommunikation. Jede Beziehung zu anderen Menschen setzt Kommunikation voraus, eigentlich jede Beziehung zu und zwischen Lebewesen bzw. zwischen lebenden Systemen. Denn nicht nur Menschen, sondern auch Teams, Unternehmen, Organisationen und ganze Völker kommunizieren miteinander.

Aber auch triviale, nicht-lebende Systeme wie Maschinen, Regeltechniken oder Computer treten beispielsweise bei Datenübertragungen oder wechselseitiger Steuerung miteinander in Verbindung – man denke nur an das Stichwort „Künstliche Intelligenz“ – und auch dort sprechen wir heute von „Kommunikation“, auch wenn es sich (noch?) nicht um einen lebendigen, sondern um den mathematischen Austausch über Algorithmen handelt. Bleiben wir bei der Kommunikation unter Lebewesen bzw. lebenden Systemen:

Was ist das eigentlich, Kommunikation?

Im Lateinischen bedeutet communio die Gemeinschaft, communicare heißt „gemeinsam machen, teilen, mitteilen“. Ursprünglich ist damit eine Sozialhandlung gemeint, in die mehrere Lebewesen einbezogen sind. Heute versteht man darunter den Austausch, die Weitergabe von Informationen. „Information“ bedeutet dabei Erkenntnis, Wissen, Erfahrung, Ideen etc.. Interessanter an der Definition „Austausch von Informationen“ ist das Wort „Austausch“: es ist ein Weitergeben und ein Entgegen-Nehmen unter Überwindung der eigenen Grenzen (Körper) und der Grenzen des Anderen. Dabei wird natürlich die Information nicht aus dem Körper des Gebenden entfernt, sondern sie bleibt dort und es wird quasi eine Kopie weitergegeben.

Im allgemeinen Sprachgebrauch hört man bei Beschreibungen von Kommuniktaion immer wieder vom sog. Sender-Empfänger-Modell, bei dem der Sender „die Information“ als solche zum Empfänger transportiert, der „diese“ Information dann „hat“. Das ist eine aus meiner Sicht ziemlich unsinnige Metapher, denn sie setzt voraus, dass Informationen sozusagen körperlich unverändert übertragen werden können.

Heute gehen wir sehr viel realistischer vom sog. Shannon–Modell aus, das auf den neurobiologisch bestätigten Erkenntnissen des sog. Konstruktivismus beruht. Danach kommt eine Auswahl von Informationen in uns hinein, die unsere Sinnesorgane erfassen und in der Form elektrischer Impulse an unser Gehirn (im weiteren Sinn) weiterleiten. Dort werden dann entsprechende Bilder und Töne für unser Bewusstsein erzeugt, wir sehen, hören und spüren, – wir erkennen eine von uns konstruierte Welt. Damit ist aber auch klar, dass diese Konstruktion bei jedem anders abläuft, mehr als Ähnlichkeit ist nicht denkbar, Gleichheit ist ausgeschlossen.

Lassen Sie mich das am Beispiel einer sprachlichen Kommunikation erläutern: Da hat also der A eine Information, eine Erkenntnis in sich konstruiert und will diese nun sprachlich an den B weitergeben. Er kann ihm hierfür aber nicht ein Päckchen mit der Information reichen, er kann ihm nur mit dem Kehlkopf erzeugte Schallwellen zusenden, also ein Signal. Dieses Signal trifft auf das Trommelfell des B und dieser konstruiert in sich daraus wieder eine Information. Das kann aber niemals dieselbe sein, sie kann nur ähnlich sein, voll von Deutungen und Konstruktionen des B. Die einzig sinnvolle Frage lautet also nicht „Haben Sie mich verstanden?“, sondern „Was haben Sie verstanden?“. Paul Watzlawick, der berühmte Psychologe und Kommunikationswissenschaftler, sagt daher: „Was ich gesagt habe, weiß ich erst, wenn ich die Antwort gehört habe …“.

Gelungene Kommunikation ist daher eine möglichst weitgehende gegenseitige Annäherung der wechselseitigen Informationen, nicht mehr und nicht weniger. So entscheidet die Kommunikation über Verständnis und Missverständnis. Diese gegenseitige Annäherung gelingt umso besser, je klarer die signalisierten Informationen sind: Der Satz „Ich liebe Dich und will Dich heiraten“ lässt an Klarheit wenig vermissen, während „Ich glaube, wir könnten und sollten uns vielleicht mal bei Gelegenheit Gedanken über eine mögliche gemeinsame Zukunft machen“ eine Vielzahl an Deutungsmöglichkeiten eröffnet und damit Raum für zahlreiche Missverständnisse schafft.

Die musterhaft beschriebene Signalübertragung über Schallwellen vom Kehlkopf des A zum Trommelfell des B ist natürlich nur ein kleiner Ausschnitt der Kommunikationsmöglichkeiten. Was wir sagen und schreiben drückt Informationen aus, die uns bewusst sind. Wir kommunizieren aber bis zu 70 % nonverbal und damit vor allem aus unserem Unbewussten heraus. Wir teilen immer, wenn wir irgendwo sind, automatisch unserer Umwelt viele Inhalte aus uns und von uns mit. Schon manche Körperhaltung sagt bekanntlich viel aus.

„Man kann nicht nicht kommunizieren.“ So lautet einer der bekanntesten Sätze von Paul Watzlawick. Immer wenn wir Menschen in Kontakt miteinander kommen, kommunizieren wir, ob wir es wollen oder nicht. So ist auch die Verweigerung einer Kommunikation Kommunikation und teilt dem Anderen etwas mit. Oder wir wollen etwas mitteilen, sagen es dem Anderen und fragen uns später verwundert, was er wohl verstanden haben mag. Oder, oder, oder … . Auch die schriftliche Weitergabe einer Information sagt nichts darüber aus, wie diese vom Anderen verarbeitet wird, ob er sie versteht, ernst nimmt oder ob er sie nicht beachtet, ohne dieses zu kommunizieren. Was also nicht kommuniziert wird, ist in einer Beziehung nicht existent, und umgekehrt: was in einer Beziehung als Information existent werden soll, muss kommuniziert werden.

Eine entscheidende Erkenntnis des berühmten Begründers der Systemtheorie, Niklas Luhmann, besteht darin, dass er erkannt und beschrieben hat, dass die Kommunikation ein eigenständiges lebendes System ist: An einer Kommunikation zwischen A und B sind demnach drei lebende Systeme beteiligt: A, B und – die Kommunikation. Wie oft haben Sie schon erlebt, dass Sie ein Thema mit jemand besprechen wollten, das vielleicht sogar mit ihm vereinbart hatten, und dann merken Sie, dass das Gespräch einen gänzlich anderen Verlauf genommen hat. Herzliche Grüße von der Kommunikation! Sie hat Ihnen keinen Streich gespielt, sie war einfach nur lebendig!

Alle unsere Beziehungen beruhen auf Kommunikation, sie ist der Stoffwechsel unserer Beziehungen. Sie nimmt einen ständigen Abgleich der in uns wirksamen Informationen vor und ohne diesen Abgleich gäbe es keine Beziehungen zwischen Menschen bzw. zwischen lebenden Systemen. Deshalb ist Kommunikation ein zentrales Element des Zusammenlebens, nicht nur unsere Interessen und unser Wille, auch unsere Emotionen, körperlichen und psychischen Informationen werden transportiert.

Ich will Sie nicht mit den unzähligen Kommunikationstheorien der unzähligen unterschiedlichen Wissenschaften langweilen, sondern mich abschließend noch mit einer Fußnote dem ambivalenten Verhältnis zwischen Kommunikation und Aggression zuwenden. Natürlich können wir durch entsprechende Äußerungen oder Handlungen (auch diese beinhalten Kommunikation!) Aggressionen zum Ausdruck bringen, aktiv aggressiv sein. Oft wird aber übersehen, dass gerade auch die unterlassene Kommunikation aggressiv sein kann, nämlich passiv aggressiv. Es ist in vielerlei Beziehungen – von der Ehe bis zur Vorstandsetage – ein beliebtes Spiel, bestimmte Informationen nicht zu geben, wenn der Andere genau auf diese Information wartet. Etwas Erwartetes nicht zu tun oder nicht mitzuteilen und dann, wenn der Andere das vorwirft, zu äußern: „Wieso? Ich habe doch nichts getan (gesagt)!“, das nennen wir passive Aggression. Diese Wand, die den Raum abschließt, ist passiv aggressiv! Wie, sie tut Ihnen nichts? Dann laufen Sie mal dagegen, Sie werden merken, wie aggressiv sie dann ist! Wie oft lassen Menschen in Beziehungen andere an die Wand laufen?!? Soweit die Fußnote.

Wenn der jüdische Humanist und Philosoph Martin Buber formuliert „Der Mensch wird am Du zum Ich“, dann gehört es zu den existentiellen Bedingungen unseres Lebens, das Du mit dem Ich in Beziehung zu setzen. Und das geschieht durch Kommunikation, selbst wenn sie nur darin besteht, dass wir einander in die Augen schauen oder genau dieses vermeiden.