Symposion spürte dem Bösen nach

Anselm Bilgri hatte noch vor dem Abendessen eingeführt in den Begriff des Bösen und seine Geschichte: Danach sei das Böse im Grunde ein Unbegriff sei, stets negativ abhängig vom Begriff des Guten. Das Gute könne bestimmt werden, das Böse sei dann der nicht vollständig definierte Bereich, der sich einer Bestimmung durch sein Gegenteil notwendig entziehe. Es erscheine als Elementarerfahrung, die als schlecht, übel, schlimm, sündig, eben böse benannt werde.

In der philosophischen Ethik der Antike wurde eine Handlung oder der diese erstrebende Wille als böse bezeichnet, wenn die Handlung als moralisch unzulässig bewertet wird. Augustinus zufolge kommt das Böse aus dem freien Willen des Menschen in die Welt. Bei ihm wie bei vielen anderen ist das Böse als substanzlos charakterisiert. Es ist ein bloßer Mangel des Guten, vergleichbar der Blindheit. Auch diese ist danach keine positive Qualität, sondern schlicht Mangel an Sehfähigkeit.

Immanuel Kant postulierte 1793 in seiner religionsphilosophischen Schrift „Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“, dass das Böse dem menschlichen Wesen innewohnend und wesentlich sei. Es sei als ein radikales Böse ein wesentlicher Bestandteil der menschlichen Natur, da dieser nicht nur ein Vernunftwesen, sondern auch ein Wesen mit empirischen Bedürfnissen sei. Friedrich Nietzsche hingegen erklärte das Böse zu einem Konstrukt christlicher Sklavenmoral, das die ursprüngliche Unterscheidung von gut und schlecht in gut und böse umgekehrt habe.

In vielen Religionen – tendenziell auch in Phasen und Teilen des Christentums – gab es Strömungen, die die Welt als Schauplatz eines Kampfes zwischen „Gut“ und „Böse“ betrachteten. Die guten Elemente (Götter/Engel) bekämpfen die bösen Elemente (Götter/Dämonen). In diesem Konzept hat jeder Mensch die Wahl, sich entweder für die gute oder die böse Seite zu entscheiden.

Ein solcher Dualismus steht allerdings im Widerspruch zu einem konsequent verstandenen Monotheismus: Wenn Gott die einzige Ursache der Welt ist, kann daneben keine zweite (böse) Macht als eigenständig gedacht werden. Im dogmatischen System christlicher Lehre wurde das Böse daher Gott immer untergeordnet (etwa als gefallener Engel, der nur mit Gottes Zulassung agieren könne). Die Ambivalenz dieser Vorstellung illustriert schon die biblische Erzählung davon, wie das Böse nach der Schöpfung in die Welt kam (Gen 3): Es schlich sich in Gestalt einer Schlange in den Garten ein. Dabei wird ausdrücklich gesagt, dass es sich um ein Geschöpf Gottes handelte, dass sich freilich (wie der Mensch) durch Klugheit und nackte Unbehaartheit (ein Wortspiel im Hebräischen) besonders auszeichnete. Es ist ebenso möglich die Geschichte so zu interpretieren, dass Gott mit seiner Begründung, die manchen als überzogen erscheint, die Übertretung des Gebotes selbst provoziert hat.

Das so genannte Theodizee-Problem besteht allerdings in der Frage: Wie kommt das Leiden in die Welt, vor dem Hintergrund, dass Gott einerseits allmächtig, andererseits gut sei. Konkret geht es um die Frage, warum Gott das Leiden zulässt, wenn er doch die Potenz („Allmacht“) und den Willen („Güte“) besitzen müsste, das Leiden zu verhindern. Eine prägnante, oft zitierte Formulierung des Problems ist das sog. dilemma epicureum: Entweder will Gott die Übel beseitigen und kann es nicht: Dann ist Gott schwach, was auf ihn nicht zutrifft, Oder er kann es und will es nicht: Dann ist Gott missgünstig, was ihm fremd ist, Oder er will es nicht und kann es nicht: Dann ist er schwach und missgünstig zugleich, also nicht Gott, Oder er will es und kann es, was allein für Gott ziemt: Woher kommen dann die Übel und warum nimmt er sie nicht hinweg? Es gibt viele Versuche, dieses Problem im Sinne des Theismus zu lösen, so das Postulat von der Freiheit des Menschen. Er muss sich in Freiheit zwischen Gut und Böse entscheiden können. Deshalb lässt Gott das Böse zu.