Künstliche Intelligenz und Führung

Von Anselm Bilgri

Ein Gespenst geht um in der Welt – das Gespenst der Digitalisierung. Überall wird davon gesprochen und geschrieben, in der Politik, in der Wirtschaft, sogar in den Feuilletons der Zeitungen. Verschiedene Begriffe sind dafür im Umlauf: Industrie 4.0, Digitalisierung, smart factory, Internet der Dinge, Künstliche Intelligenz – je nach Sichtweise und Herkunft der Menschen, die den jeweiligen Begriff gebrauchen. Dabei ist allen gemeinsam, dass die Bezeichnungen ambivalente Gefühle hervorrufen. Auf der einen Seite eine Aufbruchstimmung für die neue Zukunft in der Welt des Wirtschaftens, auf der anderen eine gewisse Unsicherheit und Angst vor dem, was da auf uns zukommt. Wieviel Änderung wird die Digitalisierung hervorrufen? Änderung des häuslichen und privaten Umfeldes, Änderung im Bereich der Gesellschaft, am ehesten wird man es spüren bei Veränderungsprozessen am Arbeitsplatz, in der Ökonomie.

„Die mit der Digitalisierung einhergehenden Veränderungen machen deshalb auch eine neue Art von Führung nötig.“ schreibt Bärbel Brockmann in der Süddeutschen Zeitung. Es scheint so zu sein, dass das lange gültige Prinzip von Befehlen und Überprüfen ebenso wenig funktioniert wie das Beharren auf einem vermeintlich stabilen Geschäftsmodell. Künftig braucht es mehr Kreativität, mehr Mitdenken, oder man verschwindet aus dem Markt. Die neue Arbeitswelt ist von Volatilität, Unsicherheit und Komplexität geprägt. Führung muss deshalb heute anders gedacht werden. Die neue Art zu führen nennt sich digital leadership.

Eine Führungskraft, die nach diesem Modell handelt, befähigt die Mitarbeiter zu eigenverantwortlichem Handeln, sie inspiriert, sie hört zu, sie ist eher Moderator der horizontalen Kommunikation als Anweiser von oben. Für die künftigen Generationen der Arbeitssuchenden sind Sinnstiftung und Motivation besonders wichtig. Die Führungskraft muss dabei bereit sein, die eigene Tätigkeit und die des Teams ständig zu hinterfragen, um die eigenen Schwachstellen aufzuspüren. Dabei muss sich eine solche Führungskraft in der Welt der IT und der möglichen Kommunikationsformen auskennen. Von den start-ups kann man lernen, wie flexible Führung im Zeitalter der Digitalisierung funktioniert. Es wird nicht mehr darum gehen, ein perfektes Produkt in höchster Qualität auf den Markt zu bringen, sondern möglichst schnell auf den Markt zu kommen und die Perfektion zusammen mit dem Kunden zu erreichen. Selbst das Scheitern wird kein Makel mehr sein, solange man bereit ist, aus den Fehlern zu lernen und schnell zu reagieren. Alles spricht dafür, dass die Beschleunigung eher zunimmt, als dass wir Freiräume bekommen. Dabei wird es darauf ankommen, Kreativität und Innovationsfähigkeit zur fördern, was wiederum nur geht, wenn Führungskräfte Zeiten und Räume des Floatens der Gedanken freihalten. Schnelligkeit auf der einen, Langsamkeit und Innehalten auf der anderen Seite werden sich ergänzen. Dabei werden Führungskräfte auch zunehmend ihre Verantwortung für die Veränderungen in der Gesamtgesellschaft wahrnehmen müssen, wenn durch die Digitalisierung Arbeit überflüssig wird und Arbeitskräfte nicht mehr gebraucht werden. Nicht alle können umgeschult und weiter beschäftigt werden. Digital leadership bedeutet auch das: Fantasie und Mut für gesellschaftliche Entwürfe bereitzustellen, die den Veränderungen gerecht werden, mit denen unsere und zukünftige Generationen zurechtkommen müssen.