„Klar kann man Muße lernen.“
Interview mit dem Coach und Führungskräftetrainer Oliver Gall
Oliver Gall ist als Trainer für mehrere namhafte Weiterbildungsinstitute tätig. Seine Themen sind wertegeleitetes Führen, Veränderungen gestalten, Resilienz entwickeln und vertrauensvolle Verkaufsbeziehungen aufbauen. Im Herbst hat er zum zweiten Mal an den Tagen des Innehaltens teilgenommen. Obwohl er Profi ist im Bereich Work-life-balance, braucht er immer wieder auch Zeit für sich und Momente zum Auftanken.
Sie sind doch Profi im Bereich Work-life-balance – wieso brauchen Sie Muße?
Ich weiß gar nicht, ob ich da für mich selbst so ein Profi bin. Ich brauche sicher auch Momente zum Auftanken, Zeit für mich, um wieder etwas aufzunehmen, das ich später wiedergeben kann. Bei aller Leistungsbereitschaft weiß ich, dass ich nicht über meine Grenzen gehen darf.
Was bedeutet Muße in diesem Kontext für Sie persönlich?
Muße klingt ja ein bißchen seltsam in unseren Ohren, ich verstehe darunter Inseln im Alltag bzw. Möglichkeiten zum Auftanken, die nur mir gehören. Muße ist Zeit, die anders als sonst nicht verplant und ökonomisiert ist. Da mache ich nur Dinge, die mir Freude bereiten und manchmal mache ich auch einfach gar nichts.
Wobei finden Sie diese Muße?
Am besten in der Natur: wenn ich spazieren oder laufen gehe in der schönen Landschaft Nordhessens, nicht rennen, nicht leistungsbezogen, eher so gemütlich laufen, damit ich die Natur wahrnehme. In diesen Momenten gibt es nichts anderes. Bei den Tagen des Innehaltens haben mir die Momente der Stille imponiert, insbesondere die Wanderungen und die Meditationsphasen, das waren ganz neue Achtsamkeitserfahrungen für mich.
Was bewirken solche Mußemomente bei Ihnen?
Zunächst ein gutes Körpergefühl, das zugleich von Energie und von Ruhe gekennzeichnet ist. Vom Körper strahlt dieses Wohlgefühl dann aber auf alle weiteren Bereiche aus.
Kann man Muße lernen?
Das ist zwar einerseits eine Typenfrage: der eine kann das sicher besser als der andere. Aber natürlich kann man das lernen. Man sollte besser üben sagen. So habe ich das auch mit dem Meditieren gemacht. Es ist viel leichter als ich dachte und es tut mir sehr gut. Jeder muss da seine persönliche Muße-Übung finden: wichtig ist, dass man sich die Zeit dafür nimmt, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.
Interview: Gerd Henghuber