Interview mit der Autorin Sabine Magnet zum Thema „Achtung“
von Gina Ahrend
Welche Assoziationen kamen Ihnen spontan als wir Sie gefragt haben, ob Sie zu einem Interview zum Thema „Achtung“ bereit wären?
Achtung hat ja mehrere Bedeutungsräume. Respekt ist ein Begriff, der mir sofort dazu einfällt. Wertschätzung. Vorsichtiger Umgang – mit anderen Menschen, mit Tieren, der Natur und auch mit mir selbst. Das hat alles mit dem Bereich „Achtsamkeit“ zu tun. Interessanterweise ist Achtung ebenso ein Signalwort, das warnen soll. Auch das bedeutet „Vorsicht“. Ich habe festgestellt, dass ich es ziemlich oft benutze. Mein Lebensgefährte ist Franzose und obwohl er kein Deutsch spricht, hat er „Achtung!“ sofort verstanden. Daran ist vermutlich U2 schuld. Seit ihrem Album „Achtung, Baby!“ ist der Begriff international bekannt…
Was bedeutet „Achtung“ in Ihrem Leben für Sie?
So viel! In so vieler Hinsicht! Ich übe beständig. Also, ich übe Achtung und Achtsamkeit. Das bedeutet zum Beispiel Respekt vor der Leistung anderer zu haben, auch wenn das Ergebnis nicht meinem Geschmack entspricht. Die Meinungen, den Geschmack, die Entscheidungen anderer zu respektieren, auch wenn ich sie nicht verstehe. Wenn jemand die Musik von Andrea Berg liebt und darin aufgeht, ist das doch schön. Vor allem ist es deren Sache und nicht meine. Ich muss mich auch nicht über Andrea Berg lustig machen, die Frau hat eine phänomenale Karriere hingelegt und mit ihrer Musik viele Menschen glücklich gemacht. Das heißt nicht, dass man keinen Witz machen oder keine Kritik üben darf. Eben alles mit Achtung. Das gilt nicht nur für Menschen, sondern auch für Tiere und Natur. Wie gehe ich mit denen um? Was kann ich besser machen? Und dann versuche ich hartnäckig, mir selbst Achtung entgegenzubringen. Das fängt mit Achtsamkeit an und betrifft eigentlich alles: Wie und mit wem verbringe ich meine Zeit? Womit nähre ich meinen Körper? Mit welchen Dingen umgebe ich mich? Aber auch: Was denke ich über mich, wie rede ich mit mir selbst und wie spreche ich vor anderen über mich? Ich bin immer noch am Entlernen vieler negativer Selbsturteile, die sich in den vergangenen Jahrzehnten in mir festgesetzt haben. Ich glaube, dieses Lernen und Entlernen wird nie aufhören.
Bei welchen Gelegenheiten haben Sie sich besonders geachtet gefühlt?
Vor Kurzem habe ich realisiert, dass ich selbst der Schlüssel bin. Das ist eine Plattitüde und theoretisch wusste ich das schon lange. Aber vor Kurzem habe ich es so richtig gespürt. Respekt, Wertschätzung, Lob und Aufmerksamkeit von außen sind toll, keine Frage, aber es ist nur eine schöne, warme Welle, die einmal durch mich hindurch schwappt und danach bin ich wieder so wie ich vorher war. Doch wenn ich mich selbst achte und respektvoll mit mir umgehe, wenn ich für mich sorge, liebevoll mit mir bin und zu mir stehe, bin ich selbst die Quelle.
Achtsamkeit ist in aller Munde und wird teils inflationär gebraucht. Hat das noch etwas mit Achtung zu tun?
Ich empfinde das gar nicht so. Mir wäre lieber, Worte wie Achtsamkeit würden inflationär benutzt anstatt dieser vielen scheußlichen, menschenverachtenden Wortkonstruktionen wie man sie leider überall hört und liest. Ich finde es gut, dass immer mehr Menschen wissen, was Achtsamkeit ist und sich damit auseinandersetzen, auch wenn manche es vielleicht falsch verstehen – beziehungsweise anders verstehen als ich. Dass man so frei über Achtsamkeit und ähnliche Themen reden kann, ohne für verrückt erklärt, ausgelacht oder ausgegrenzt zu werden, ist ja relativ neu. Ich denke, dass der Achtsamkeit endlich die Achtung geschenkt wird, die sie verdient. ;)
Welche Aspekte zum Thema sind Ihnen noch wichtig?
Alles fängt mit und bei mir selbst an. Das ist wirklich so banal wie bahnbrechend. Alles, was ich vom Außen will, jede Veränderung, die ich anstrebe, alles, was ich erreichen möchte… all das fängt damit an, dass ich mich selbst wertschätze. Nicht auf diese „Ich gönn mir“-Tour, sondern aus dem tiefen Respekt heraus vor diesem unglaublichen Wesen, das ich „Ich“ nenne und dem ich jetzt zu seiner schönsten Entfaltung verhelfe.
Sabine Magnet studierte Kommunikationswissenschaft, Politik, Soziologie und Spanisch an der Münchner LMU und absolvierte eine Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule. Anfang 2018 ist ihr Sachbuch über das Impostor-Phänomen erschienen: „Und was, wenn alle merken, dass ich gar nichts kann? Über die Angst, nicht gut genug zu sein.“ (mvg)
Foto: Christina Papakyriacou