Du sollst Dich unterbrechen: Der Segen von Sabbat und Ferien

Wir lernen alle zu arbeiten und möchten in immer kürzerer Zeit noch mehr leisten. Das Problem des hastenden Menschen ist nicht nur, dass er unter den Folgen der Anspannung leidet, sondern dass er die inneren Kräfte der Hoffnung und der Kreativität verliert. Es mag ein Paradox sein, dass unser Jahrhundert einerseits ein Jahrhundert des Wohlstandes, der Emanzipation und der fast unbeschränkten Möglichkeiten ist und gleichzeitig auch das Jahrhundert der Depression. Der Mensch, der nicht mehr ruht bzw. ruhen kann, verliert den Zugang zum Geheimnis und zur Weite seines Lebens.
Deshalb erkennen wir mehr und mehr, dass die Zeit der Ruhe, der Muße, des Innehaltens nicht verlorene, sondern gewonnene Zeit ist. Im Abstand von Leistung gewinnen wir jene unverzichtbare Ressource, die wir uns nicht erarbeiten, sondern nur schenken lassen können und die offensichtlich nur der ruhigen Seele beschert wird.
„Gedenke des Sabbats“ (Exodus 20,8), so heißt die dritte von den 10 Weisungen der jüdisch christlichen Tradition. Das Christentum hat daraus ein ‚Gebot‘ gemacht: ‚du sollst den Feiertag heiligen‘. Aber indem aus einem Angebot ein Gebot wurde, ist die Grundidee des Sabbats entstellt worden. Denn es geht bei dieser Weisung nicht darum, dass der Mensch am Sabbat oder am Sonntag etwas tun soll – die Sonntagspflicht erfüllen -, sondern dass er etwas lassen soll oder darf. Dorothee Sölle hat Exodus 20,8 für unsere Zeit mit „du sollst dich unterbrechen“ genial übersetzt.

Ohne Ruhe, ohne Unterbrechungen, ohne Zwischenräume wird der Mensch von der Routine erdrückt, von der Selbstwiederholung geblendet und von der Gewohnheitsenergie aufgesaugt. Im Sabbat entdecken wir, dass der Mensch mehr und etwas anderes ist als seine Position; mehr als was er sich sichern und erwerben kann. Und nur in diesem Ausruhen, im Abschalten erkennen und erfahren wir etwas vom Geheimnis, von der Kraft und der Güte des Lebens.
Versuchen Sie doch einmal, sich Zeiten zu reservieren, für die Sie nichts planen und halten Sie aus, was dann geschehen mag: zunächst eine Stunde, dann einen halben Tag, dann den Sonntag, dann das Wochenende, dann vielleicht mal mehrere Tage lang.
Auch uns werden letztendlich nicht allein Leistung, Einsatz und Arbeit helfen, ein gutes und sinnvolles Leben zu gestalten, sondern vor allem auch Anhalten, Loslassen und Entspannen: das zu erkennen und vor allem zu erfahren, kann zu einem richtigen Aha-Erlebnis werden und wirkt im Schnitt unglaublich entlastend.