Interview mit Dipl.-Psych. Heika Eidenschink

„Ich treffe häufig auf Getrieben- und Ausgebranntsein.“
(Heika Eidenschink, Referentin der Akademie der Muße)

Was bedeutet für Sie persönlich Muße?
Muße ist für mich Zeit des Innehaltens, der Verlangsamung und des bewussteren Wahrnehmens. Das Innehalten kann sich nach innen richten, um all den inneren Eindrücken, Bildern, Gedanken zu folgen, die sich mir eröffnen. Es ist dann, als gäbe es in mir mein ganz eigenes Universum, in das ich eintauchen und dessen Sprache, Bilder und Sinn ich mehr und mehr ergründen kann. Es kann sich ebenso nach außen richten, wenn ich den Reichtum, der mich umgebenden Welt erfahre, indem ich sehe, höre, schmecke, rieche, taste oder mein Gegenüber erfühle.

Wieso braucht man dafür eine Akademie?
Innehalten will gelernt sein. Unsere heutige Welt unterstützt den Modus „Muße“ nicht gerade. Der Gegenpol zur Muße ist das Getriebensein, unsere Selbstreduktion aufs Funktionieren und die Erledigung von Aufgaben. Eine „Akademie der Muße“ hilft uns, der Muße eine notwendige Insel zu schaffen – allerdings nicht, um danach wieder im Getriebensein unterzugehen, sondern um der Muße den Weg zurück in unseren Alltag zu bereiten.

Auf welche Situation treffen Sie bei Ihren Kunden?
Häufig auf ein starkes Getrieben- und entsprechendes Ausgebranntsein. Dabei ist das Ausgebranntsein nur ein Teil des Problems. Mindestens ebenso problematisch ist es, dass wir in einer getriebenen Haltung uns und unsere Umwelt verzerrt wahrnehmen und unser Handeln auf dieser verzerrten Wahrnehmung basiert. Gleichzeitig treffe ich jedoch in der Regel auf eine hohe Bereitschaft, neue Wege für sich zu entdecken.

Was bieten Sie ihnen, was lernt man in Ihren Seminaren?
In meinen Seminaren lernt man, in einer natürlicheren Haltung in sich selbst und in der Welt zu sein. Der Fokus orientiert sich weg von der Frage „Was kann ich tun?“ hin zu der Frage „Wie kann ich sein?“ Dabei geht es sowohl darum, eine für uns und andere hilfreichere Haltung zu entdecken, als auch den Weg dorthin zu verstehen. Dabei spielen Muße und Innehalten eine zentrale Rolle.

Wie gut gelingt der Transfer in den Alltag?
Das hängt sehr davon ab, wie der einzelne mit seinen neu gewonnenen Erfahrungen umgeht. Wir neigen dazu, uns stark von außen bestimmen zu lassen. Sind wir in einem heiter gelassenen Umfeld, bringen wir in uns selbst diese Qualitäten zum Schwingen. Sind wir in einem stressreichen Umfeld, steigt auch unser Stresspegel. Das Geheimnis des Wandels liegt jedoch genau darin, zu entdecken, wie wir Schritt für Schritt weniger reaktiv werden können und stattdessen selbst unsere innere Haltung steuern.

Wie wirkt sich Muße zwischenmenschlich aus?
Menschen mit Muße existieren als ganze Menschen und leiden weniger unter einer Dominanz des Denkens. Sie schwingen sich dadurch leichter in andere Menschen ein und es entsteht ein harmonischeres Miteinander, bei dem Verbundenheit spürbar wird. Gerade auf dieser Basis kann dann auch mit Unterschieden und Konflikten wertschätzend umgegangen werden.