Was meinten SIE zum Thema „Fehlerkultur“?

Ein Rückblick auf erhaltene Fragen und Meinungen…

Von Dr. Nikolaus Birkl

…. und es war kein Fehler!
„Das war ein Fehler! Das ist ein Satz, den ich hoffentlich nicht sage, wenn ich in einiger Zeit diesen Impuls lese.“ So begann mein Impuls „Fehler machen“ im Newsletter vom Dezember 2017. Ich wurde auf diesen Impuls vielmals angesprochen und habe auch Zuschriften erhalten, – zustimmende und ablehnende. So will ich hier nochmals Stellung nehmen:

Es ist offenbar für einige Menschen schwer vorstellbar, eine Entwicklung, die völlig anders verläuft als vermutet, nicht auf einen Fehler zurückzuführen und diesen Fehler nicht einem früheren Entscheider – auch sich selbst – zuzuschreiben. Schließlich muss ja jemand schuld sein oder – vornehmer ausgedrückt – Verantwortung übernehmen!

Doch es bleibt aus meiner Sicht nichts anderes übrig, als sich von diesem Fehlerbegriff zu lösen, wenn man verwirklicht, dass es keine rational richtige oder falsche Entscheidung gibt, weil

  • die Zukunft per se nicht vorhersehbar ist
  • Wissen nur aus der Vergangenheit vorliegt
  • sich daraus allenfalls Wahrscheinlichkeiten ablesen lassen
  • dem Entscheider unbekannt ist, was gleichzeitig andernorts so entschieden wird, dass es Einfluss auf den weiteren Verlauf der Dinge nach der eigenen Entscheidung haben wird
  • welche weiteren Handlungsalternativen schon unbewusst nicht in Erwägung gezogen wurden.

Ich unterstelle hierbei einen verantwortungsvollen Entscheider, der sich vor der Entscheidung im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen seine Handlungsalternativen gebildet und im Hinblick auf die von ihm vermutete Entwicklung der Zukunft entschieden hat. Ich spreche nicht von einem Entscheider, der mit fahrlässiger Gleichgültigkeit „eben irgendwie“ entscheidet und sich dann nicht um die Folgen kümmert. Ihm ist aber weniger der Fehler in der Entscheidung als die Gleichgültigkeit vorzuwerfen.

Der verantwortungsvolle Entscheider weiß, dass er das Risiko eingeht, nicht zu wissen, wie sich die Dinge entwickeln werden; er wird genau beobachten, was nach seiner Entscheidung geschieht und abweichende Entwicklungen zum Anlass nehmen, darüber zu reflektieren und ggf. mit einer erneuten Entscheidung zu reagieren.

Hier sei für verantwortungsvolle Entscheider noch auf das Modell des „Tetralemma“ (griechisch: tetra=vier, lemma=Voraussetzung) hingewiesen, das aus dem Sanskrit (700 v. Chr.) stammt: Es wurde wohl zur Rechtsprechung verwendet und ergänzte die Alternativen „Entweder“ und „Oder“ (Dilemma) um ein „Sowohl-als-auch“ und ein „Weder-noch“. Der Richter durfte sich damals erst zu einem Urteil entscheiden, wenn er alle vier Möglichkeiten genau geprüft hatte. Ein solches Denken erweitert den Blickwinkel des Entscheiders ganz erheblich.

Und im Übrigen bleibt es bei Karl Valentin, der sagte: „Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.“