Symposion am 23. 01. 2017 zum Thema Angst

Angst war das Thema unseres letzten Symposions im Café „VON&ZU“ in der Luisenstraße. Ein Wort, das sogar im englischen übernommen wurde, man verwendet dort den Begriff „German Angst“. Gerade in unseren Tagen bedrücken die Menschen viele oft diffuse Ängste: vor der Überfremdung, vor dem Terrorismus, vor wirtschaftlichem Niedergang, vor politischem Rabaukentum und Rechtsruck. Diese Liste lässt sich sicher weiterführen. Wie lässt sich dem begegnen?

Eines ist wahrscheinlich am sichersten: Jede Zukunft ist unsicher. Wir wissen nicht, was in der nächsten Sekunde geschehen wird. Es gibt nur Wahrscheinlichkeiten, die wir aus der Erfahrung mit der Vergangenheit erschließen können. Angst macht uns auch die Tatsache, dass eben immer wieder etwas völlig Unerwartetes geschieht. Da hilft nur, sich mit der Unsicherheit vertraut zu machen. Einfach ausgedrückt: Sich erden im Umgang mit Unsicherheit. Dies benötigt aber eine gehörige Portion Gelassenheit, die sich die meisten Menschen erst mit den Jahren aneignen können.

Anselm Bilgri

Lesen Sie auch Dr. Nikolaus Birkls Kommentar zum Thema Angst.

Angst überfällt uns nicht nur in konkreten Bedrohungssituationen, sondern die meisten Menschen kennen auch eine diffuse Angst, die sie bei Berührung bestimmter Themen spüren. Da tauchen Ängste auf vor Verarmung, Ängste vor bestimmten Erkrankungen, angstvolle Phantasien über bereits unbemerkt bestehende Erkrankungen, Ängste, verlassen zu werden, Ängste, einsam zu sein, usw. usw.

Diese Ängste haben ihre Ursache nicht im Außen, sondern in uns selbst. Sie werden nicht durch unsere Umwelt erzeugt, sondern sie entstehen irgendwo in uns. Daher ist es hilfreich, sich zu fragen, wo in uns selbst diese Angst ihre Quelle hat. Ein mit mir früher befreundeter und längst verstorbener Psychoanalytiker, der selbst noch ein Schüler des berühmten C. G. Jung war, sagte einmal: „Jede Angst hat einen Bruder und dieser Bruder heißt Wunsch.“

Was ist damit gemeint? Alles, was in uns an Gefühlen und Vorstellungen, an Wahrnehmungen und Ideen entsteht, hat für irgendeine Seite in uns Sinn. Wir produzieren und tun nichts Sinnloses (auch wenn wir das über uns und andere gerne behaupten). Jede Handlung, jede Idee, jedes Gefühl wird von irgendeiner Seite in uns produziert, – sonst wären sie ja nicht da! Und für diese – uns zumeist unbewusste – Seite macht es dann im Einzelfall Sinn, eine Angst entstehen zu lassen. Es ist also interessant, sich bei solchen diffusen Ängsten, wie ich sie oben beschrieben habe, zu fragen: „Welche Seite in mir hätte denn etwas davon, wenn das, wovor ich Angst habe, einträte?“ Wenn beispielsweise die Herzangst eines stressgeplagten Managers zum konkret realen Herzanfall würde, wäre er erstmal aus dem Verkehr gezogen, er wäre dann für nichts mehr verantwortlich, müsste sich für begrenzte Zeit um nichts mehr „kümmern“, sollte nicht so weitermachen. Ich glaube, man kann sich gut vorstellen, dass es in ihm eine Seite gibt, die sich so einen Zustand „wünscht“…

Es ist hilfreich, sich ganz realistisch vorzustellen: „Wie wäre es denn, wenn es so kommt?“ Holen Sie sich die angstbesetzte Situation ganz nah zu sich, setzen Sie sich ruhig hin und stellen Sie sich ganz genau in allen realistischen Details vor, das Objekt Ihrer Angst wäre gerade jetzt eingetreten und fragen Sie sich, wie sich das anfühlt und welche Gedanken Ihnen in dieser Situation kommen, um mit ihr gut umzugehen. Häufig werden dabei Phantasien und Vorstellungen frei, die zu tatsächlichen Veränderungen des Lebensstils und der bisherigen beruflichen Umwelt führen.

Vielleicht hilft das nicht immer, aber es hilft ganz sicher sehr oft.

Also: Keine Angst vor der Angst!

Nikolaus Birkl

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